FUGAU

Vielen Dank an Gottfried Engel für die Überarbeitung des Textes!

Wo lag das Dorf Fugau?

Fugau lag im nördlichsten Zipfel Böhmens (nach 1919 Tschechien). Der idyllische Ort wurde im Osten von Neusalza-Spremberg im Norden von Oppach und im Westen von Taubenheim umschlossen. Die Grenze zu den drei sächsischen Orten wird durch die 1,5 km lange Spree gebildet. Durch Fugau führte auch die 1,3 km lange Bahnstrecke Dresden-Zittau.
Fugau hatte die nördlich gelegenste Kirche und Schule im gesamten Österreich-Ungarischen Kaiserreich und die nördlichste Zollstation!
Das Dorf Fugau, eine Restbesiedlung, entstand bereits im 15. Jahrhundert als deutsches Dorf. Ansiedler waren weitgehend die zweiten und dritten Söhne der heute umliegenden sächsischen Nachbargemeinden.
Wenn man sich alte Fotos oder Postkarten anschaut, kann man selbst als Nicht-Fugauer ins Schwärmen geraten. Kein Wunder, dass der Taubenheimer Oberlehrer und Ortschronist Hinkelmann den liebevollen Ausdruck "Goldene Fuge" verwendete. Wunderschöne kleine Oberlausitzer Umgebindehäuschen in herrlicher Lage zierten den Ort.

  
Karten: http://www.zanikleobce.cz/

Warum gibt es das Dorf Fugau nicht mehr?

Fugau gehörte erst zu Österreich-Ungarn und ab 1918 zur Tschechoslowakischen Republik. Nachdem Hitler in Deutschland die Macht übernommen hatte, wollte die ?SR einen Krieg im eigenen Land vermeiden und trat im Münchner Abkommen 1938 die Gebiete mit mehrheitlich deutscher Bevölkerung (Sudetenland) an das Deutsche Reich ab.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wurde die Tschechoslowakische Republik bis auf wenige Ausnahmen in den Grenzen aus der Zeit vor dem Münchner Abkommen wiederhergestellt; die Sudetengebiete wurden wieder in die ?SR eingegliedert.
Der tschechoslowakische Präsident Edvard Beneš setzte sich nun dafür ein, die sudetendeutsche Bevölkerung aus der Tschechoslowakei zu vertreiben. Da die Bewohner Fugaus ebenfalls dazu gehörten, wurden auch sie 1945/46 aus ihrer 500-jährigen Heimat vertrieben. Mit nur 30 kg (!) Gepäck müssten die Fugauer ihre Häuser bzw. Wohnungen verlassen und wurden ab Schluckenau in Viehwaggons nach Deutschland verfrachtet. In dem Glauben, dass es bald wieder "zurückgehen würde", siedelten sich viele Fugauer bei Freunden und Bekannten in den umliegenden sächsischen Dörfern an. Hier fanden sie letztlich ein neues Zuhause.
Nach der Vertreibung wurden viele einst deutsche Dörfer dem Verfall freigegeben. Einige davon wurden dem Erdboden gleich gemacht - so wie Fugau. Viele ältere Taubenheimer können sich noch an die Sprengung der Kirche und der Schule am 23. September 1960 erinnern. Die Taubenheimer wurden aufgefordert, alle Fenster zu öffnen, damit die Fensterscheiben durch die Detonation der Sprengung nicht zu Bruch gingen.
Die Vertreibung der Sudetendeutschen ist eine von vielen Ungerechtigkeiten der Geschichte. Noch immer gibt es keinerlei aufschlussreiche Erklärung für begangenes Unrecht, aber auch kein Bekenntnis zur Schuld.
Wer mehr dazu lesen möchte, schaue bei Wikipedia unter "Odsun" nach. http://de.wikipedia.org/wiki/Odsun

Wie haben die Fugauer im 20. Jht. gelebt?

80 % der Fugauer arbeiteten zunächst als Hausweber, es wurde Leinenstoff hergestellt. Auch gab es in Fugau drei Bleichen, die das graue unansehliche Rohmaterial mit Hilfe der Sonne weiß bleichten. Die Bleicher hießen Sonnenwürmel, da sie von früh bis spät am "Wässern" waren. Mit dem Bau der Spinn- und Webbetriebe wurde die Hausweberei verdrängt. Die neuen Arbeitsplätze waren nun in Neusalza-Spremberg, Schluckenau und Oppach. Viele Fugauer waren zum Haupt- oder Nebenerwerb in der Steinindustrie tätig, vorwiegend in Taubenheimer Steinbrüchen oder kleineren Betrieben.
Auch in Fugau gab es um die Jahrhundertwende drei Steinbetriebe. Jedoch überlebte nur der größte Betrieb, die "Mechanische Steinschleiferei und Steinmetzerei" Franz Michalicek. Diesem Namen begegnet man recht häufig, wenn man in Chroniken über Fugau stöbert. Außerdem hatte jedes Haus einen zugehörigen Acker, der für eine Kuh und ein Schwein reichte. Geackert wurde oft mit der eigenen Kuh oder mit Pferden von einem befreundeten sächsischen Bauern, wie z.B. dem Taubenheimer Grenzbauer "Berger-Lobel".
Einkaufen gingen die Fugauer in eigenen kleinen Geschäften oder in Schluckenau, doch häufig auch in Sachsen. Hierbei konnte es vorkommen, dass man die Ware am Zollhaus verzollen lassen musste. Inoffiziell gab es zwei Währungen in Fugau: die Reichsmark und die tschechische Krone (1 RM = 8 K?). Die billigsten Wechselstuben waren die Kneipen.

Es gab fünf Gasthäuser in Fugau - "Zum Hopfenberg", "Zur deutschen Grenze", "Der goldene Stern", "Zum Kretscham" und das "Vereinshaus", in denen natürlich auch Feste und Jubiläen stattfanden und viele Deutsche essen gingen. Fugau hatte mehrere Vereine - den Veteranenverein, den Katholischen Geselligkeitsverein, die Freiwillige Feuerwehr, den Arbeiterturnverein, den Turnverein "Jahn", den Gesangsverein "Harmonie" und den Deutschen Kulturverband. Das alles klingt erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Fugau im Jahr 1939 nur 736 Einwohner in 143 Häusern hatte. Die Fugauer scheinen also ein geselliges Völkchen gewesen zu sein.
Beliebte Ausflugsziele waren auf sächsischer Seite der Bieleboh und der Czorneboh und auf böhmischer Seite der Jüttelsberg. Außerdem besuchte man das Kino in Neusalza oder das Theater in Zittau.

Alle Fotos von Fugau: http://www.zanikleobce.cz/

Pfarrkirche

Erst war Fugau katholisch. Da es keine eigene Kirche gab, waren die Fugauer in Spremberg bzw. auch einige in Taubenheim eingepfarrt. 1575 wurde Spremberg protestantisch und somit auch die Fugauer. Beim Glaubenskampf 1697, dem wohl bedeutendsten Ereignis in Fugau (!), wurde der Ort allerdings wieder rekatholisiert und erstmals nach Schluckenau eingepfarrt. 1784 begannen dann die Bauarbeiten an der eigenen Pfarrkirche. Die Glocken wurden später für Kriegszwecke eingezogen. Lediglich eine sehr alte Glocke, die größte von 1794, befindet sich in der Rumburger Stadtkirche.
Am 23. September 1960 zwischen 20 und 21 Uhr wurden die Kirche und die Schule gesprengt. Heute erinnert ein kleines Holzkreuz an den Standort der Kirche; Reste des Friedhofs sind bis heute erhalten. Jedes Jahr zu Pfingsten findet ein gemeinsamer, deutsch-tschechischer Gottesdienst am Standort der ehemaligen Kirche statt.

Fotos: Sandi Wermes

Vergleiche:
http://www.zanikleobce.cz/index.php?lang=d&detail=1448841

Weiterlesen:
Engel, Gottfried: Chronik Fugau
Engel, Gottfried: Chronik und Bildband Fugau
http://de.wikipedia.org/wiki/Odsun

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